25 Monate nach dem letzten Test zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung versucht sich Finanztest erneut an diesem Thema. Damals wurde von Kollegen umfangreich dargelegt, wie vollkommen dilettantisch der Test durchgeführt wurde und wie fahrlässig die empfohlenen Ratschläge waren. Nun könnte man erwarten, dass – nachdem der veraltete, fehlerhafte BU-Test mit den unverantwortlichen Tipps die ganze Zeit kostenpflichtig abrufbar war – die Tester sich die Kritik zu Herzen genommen haben und diesmal fundierter und mit mehr Sachkenntnis zu Werke gingen.
Weit gefehlt. Zwar wurden einige kleine Korrekturen vorgenommen, aber das Ergebnis wäre für jeden Makler nicht nur ein Armutszeugnis, sondern auch ein Haftungsfall.
75% der Bewertung entfielen auf die Versicherungsbedingungen, 25% auf die Antragsformulare, damit erreichten „nur noch“ 57% der getesteten Tarife ein „sehr gut“. Die Kriterien für die Versicherungsbedingungen wurden von 9 1/2 auf immerhin 12 erweitert, und laut Finanztest „nach ihrer Bedeutung unterschiedlich gewichtet“. Wie diese Gewichtung aussieht wird allerdings nicht aufgeschlüsselt, bleibt also völlig intransparent.
Besonderes Gewicht bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung hat laut Finanztest der Verzicht auf die abstrakte Verweisung. Aber warum wird dann der TArif der Hanse Merkur Testsieger, wenn man dort nur 5 Jahre darauf verzichtet? Beim Test-Dritten, der Provinzial Rheinland, wird sogar nur 3 Jahre darauf verzichtet. Genauso wenig ist nachvollziehbar, warum die Hanse Merkur mit einer zeitlich befristeten Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit Testsieger wird, obwohl doch laut Finanztest eine unbefristete Anerkenntnis optimal ist.
Leider trifft es wieder die Hanse Merkur, wenn man ein Beispiel für die Dilettanz der Beurteilung der Antragsfragen sucht. Hier wird bei ebenfalls intransparenter Gewichtung Wert auf den Verzicht der Frage nach abgelehnten oder zu erschwerten Bedingungen angenommenen Anträgen gefragt. Dass aber im Kleingedruckten vieler Anträge – wie z.B. bei den Testsiegern Hanse Merkur und Europa- stattdessen einer Datenabfrage beim Hinweis- und Informationssystem HIS zugestimmt wird, wird völlig übersehen. So kann – selbst bei vor Jahren nicht zustande gekommenen Verträgen – der neue Versicherer an Information gelangen, nach denen er selbst im eigenen Antragsformular gar nicht fragt.
Des weiteren wird der Fokus völlig auf den Preis gelegt und empfohlen, sich „an den Nettobeiträgen“ für die Musterkunden zu orientieren. Dass auch der Bruttobeitrag wichtig ist wird ebenso außer acht gelassen wie der Punkt, dass ein niedriger Beitrag in einem für den Versicherten ungünstigen oder falschen Tarif am Ende in jeder Hinsicht viel teurer ist.
Dann gibt es noch eine tolle Grafik, nach der man, wenn man „jung und gesund“ ist, direkt zu einer BU-Police kommt. Das ist wieder absolut dilettantisch, denn der freudige junge und (nach seiner Meinung) Antragsteller wird wahrscheinlich einige Überraschungen erleben. Entweder gleich bei Nachfrage zu angegebenen Erkrankungen (denn wer war die letzten 5 Jahre nicht beim Arzt), oder schlimmer dann beim Leistungsfall, wenn festgestellt wird, dass man im Überschwang des „jung und gesund“ doch den einen oder anderen Arztbesuch vergessen (oder verdrängt) hat. Laut Stichproben der Swiss Life sind in etwa 60% der Anträge die Gesundheitsfragen nicht wahrheitsgemäß beantwortet worden. Und wenn da wider Erwarten keine Probleme auftreten gibt es ja noch das im Test völlig unterschlagene Risiko bei den Hobbys und im Beruf. Ersteres kann zu deutlichen Zuschlägen oder Ausschlüssen, letzteres eventuell sogar zu niedrigeren Beiträgen führen, wenn der Versicherer aufgrund des speziellen Tätigkeitsfelds in eine niedrigere Riskogruppe einstuft.
Das sind nur einige der groben Schnitzer, die sich Finanztest als Tochter von Stiftung Warentest leistet. Der schlimmste ist aber zu suggerieren, dass man als Kunde anhand der Ergebnisliste und der Musterkunden eine passende Berufsunfähigkeitsversicherung auswählen und abschließen kann und soll. Und dies in Zeiten, wo die Verbraucherzentralen, die ebenfalls im Kuratorium der Stiftung Warentest sitzen, im Versicherungsbereich für kundenorientierte Beratung trommeln. Dass Unabhängigkeit – die ich Finanztest mal unterstelle – nicht zwangsläufig ein Zeichen für gute Beratung ist, wird hier eindrücklich vor Augen geführt.
Die Einschätzung von Finanztest, dass man auf der Grundlage des Test „nichts falsch machen könne“ ist ziemlich dummdreist und zeugt von einer absoluten Realitätsferne. Zudem zeigt man sich in der Redaktion absolut lern-resistent, denn auch die letzten Tests zu privater Krankenversicherung, Pflegezusatzversicherung etc strotzten vor fachlichen Fehlern.
Bleibt am Ende nur das Fazit, dass die Auswahl einer passenden Berufsunfähigkeitsversicherung mit leistungsgerechtem Beitrag von einem Fachmann überlassen werden sollte und nicht irgendwelchen selbsternannten Testern, die für ihre Empfehlungen nicht einmal haften